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Immer wenn ich flüstere, wächst mir das Moos

Publikation // 60 Seiten // offene Fadenheftung // 11,5 x 15 cm // 2023

In tagebuchartigem Format wird der Übergang zwischen zwei Orten behandelt. Über einen Zeitraum von vierundzwanzig Tagen wurde täglich eine Cyanotypie belichtet und währenddessen Texte geschrieben, die sich zwischen Realität und Imagination bewegen. Was verändert sich von Tag zu Tag? Die Publikation ist zugleich eine Beobachtung des Wetters und der Gedanken. Beschrieben sind Momente der Unsicherheit, das Verlieren zwischen den Orten, das Finden von Zwischenräumen und die Frage nach den Dingen, die Halt geben. Die Grenzen des Bekannten verwischen im Prozess der beschriebenen Veränderung und lösen sich Stück für Stück los von der Realität.

03. Februar

Die Oberflächen draußen glänzen. Dünne Wurzeln wachsen aus mir heraus, fein wie deine hellen Haare, sie wachsen in den kalten Morgen, in Mauerspalten hinein, sie wachsen langsam in den grauen Himmel und in die Zugluft am Fenster.

Ich stelle mir vor, dass der Innenhof einmal ganz ausgefüllt war mit Haus, mit Zimmern, Geschirr und Vorhängen, mit Treppenhäusern und Gerüchen nach Essen. Eines Tages lief ein sehr großes Etwas über die Häuseroberfläche, es gab keine Straßen oder Lücken zwischen den Zimmer-an-Zimmer-Häusern. Die Stadt war ein großes Haus, es gab nur außerhalb oder innerhalb der Stadt. Das Etwas lief über die Stadt und hinterließ Fußabdrücke, sank sechs Stockwerke tief ein und der Innenhof vor meinem Fenster ist eigentlich ein Fußabdruck. Große Finger haben Straßen durch die Dächer gedrückt und an manchen Stellen musste das Etwas sich setzen. Es hatte vielleicht Schuppen oder ein Fell.

Imprint
© Johanna Locher 2023