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Markisenzeit

Erscheint im Katalog „Wasser und Wolken“ (2022) von Anna Bläser, anlässlich ihrer Einzelausstellung „Kiosk“ in der BBK-Galerie Unterfranken im Kulturspeicher Würzburg.

Zu Anna Bläsers Arbeit: annablaeser.com

Anmerkung: Da der Text für einen Katalog geschrieben wurde, funktioniert er besser im Dialog mit den Abbildungen zu Anna Bläsers Arbeit.

MARKISENZEIT

An die Wand gelehnt und golden, bereit es mit Lawinen aufzunehmen: die Arbeit „Vor unserer Zeit“. Stupste ich sie an, sie würde davon zuckeln, anders kann es gar nicht sein.

Alles scheint, als wäre es nur kurz sichtbar, wie eine sanft aufblitzende Erinnerung. Oder als wären die Erinnerungen sich ihrer selbst doch nicht mehr so sicher, wie noch vor ein paar Augenblicken. Also leise, sonst wäre alles weg.

Wie frisch zurück von einer Reise stehen die Objekte im Raum. Bei einigen haben nur die schmalsten Linien noch in die Koffer gepasst. Die anderen sind von selbst gelandet. Im Ursprung sind sie alt wie Geschichten von Apfeldieben, nun mit einen frischen Anstrich, der noch glänzt. In Einzelteile zerlegte Erinnerungen, die Anleitung würde nur Verwirrung stiften. Die Markise hat ihren gestreiften Stoff vergessen, auch sowas kann passieren. Und für Markisen braucht es Sommer: Einmal Wolken am Spieß, bitte. Den Erdbeerpulli hab ich immer gemocht.

Gezeichnete Notizen, mit höflicher Tinte gemalt und ihre Nachbarn dürfen sie sich selbst aussuchen. Ja, ich esse gern. Dort, wo die Gedanken hängen bleiben, bilden sich Tintenpfützen, mal seichte und mal tiefe. Noch eine Reise wäre schön. Wenn ein Flugzeug in matrosenblau mich ins Land der Markisen bringen könnte, ich denke, Anna wäre auch da.

In wasserbleichen Farben läuft der Sommer aus, sinkt in die birkenkühlen Arme des Septembers. Dort ist die Drohung von Baba Yagas Haus, auf uns loszugehen, wie elektrisches Kinderspielzeug. Wer weiß, vielleicht sind wir noch immer nicht groß genug, um zu entkommen. Der Wind zieht an und ich denke an den Besteck-Kasten zuhause, wie die Löffel fröhlich blitzen.

An guten Tagen trippeln die Gedanken wie kleine Vögelchen am Strand. In blassgrün oder rosa, die besonders Lauten auch mal lachsfarben. Hier wird konzentriert im Sand gewühlt, dort am Tang herum gezupft und manchmal wird gezetert.

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